Falscher Buchtitel mit wertlosem Inhalt
Vorab: Eigentlich müsste das Buch heißen „Lass Dein Geld in Ruhe und erschieße Dich!“
Ich gebe es zu, der Titel als auch Buchumschlagstext haben mich sehr neugierig gemacht, vielleicht war ich auch nur zu empfänglich, da ich seit längerer Zeit viel über Finanzen, Analyse, Geldanlage und Altersvorsorge lese.
„Vorbereiten auf das Leben“… „15 Minuten pro Woche und eine Internetverbindung sind alles, was Sie … brauchen.“… „Top-Experten und Pioniere“…
Dann DIE „big points“:
– Weg zu geordneten Finanzen
– größten Fehler und Erfolge
– Profis aus den Bereichen Finanzen und Wirtschaftsjournalismus
– Bank-Alternativen im Web 2.0
– …
Klingt alles total spannend, oder? Ja. KLANG es. Doch beim Lesen des Buches zeigte sich Seite um Seite ein anderes Bild, dass besser zur Farbgebung des Buches (im herrlich depressiven Schwarz/Weiß/grau) passt als zu der eigentlichen Inhaltsangabe.
Der Grundton und Schreibstil ist für mich dicht am Niveau der BILD-Zeitung: es werden reißerische Worte benutzt, mit provokanten Annahmen und Absätzen um sich geworfen und schrittweise ein immer dunkleres Bild rund um die Finanzwelt gestrickt. In Teilen sicherlich berechtigt und der Wahrheit entsprechend, in anderen Teilen jedoch eher – so scheint es mir – um einfach zu hetzen und alles Schwarzmalen zu wollen!
Eine Struktur ist in den Texten trotz Inhaltsangabe, die einen roten Faden darstellt, dennoch nicht zu erkennen. Denn was folgt ist pro Kapitel das immer selbe Spiel: Ein paar einleitende Schlagworte zum Kapitel in Satzform. Zeichnen eines düsteren Bildes mit der fortwährenden Mitteilung an den Leser, sich um sein Geld zu kümmern. Das WIE, z. B. in Form klarer Tipps oder auch (wie es sich das eine oder andere Mal angeboten hätte) Anleitungen oder in Form eines Methodenkoffers bleibt das Buch jedoch zu jeder Zeit schuldig.
Ein Beispiel: Der Leser soll sich informieren und doch bitte nicht bei den Banken sondern der Community! Welche Community? Nun, die vielen Finanz-Communities. Aha! Und welche? Z. B. bei der Fidor-Bank-Community! Ach so.
Ich habe stellenweise das Empfinden gehabt, dass die Autoren eine Werbeshow rund um die Fidor-Bank veranstalten, die alles richtig(er) macht als die sonstige Institutswelt.
Zusätzlich störend beim Lesen empfand ich die inflationäre Nutzung des Wortes „aber“… alles super, „aber“… dies sollte so sein, „aber“… Ich habe schon vor Urzeiten gelernt, dass das Wort „aber“ alles vorher gesagte ad absurdum stellt oder deutlicher „Alles vor dem ‚Aber‘ ist gelogen!“.
Hinzukommt, dass die Autoren mit ihrem ungewöhnlichen Stil, den ich anfangs als erfrischend und neu empfand, schnell etwas schaffen, was ich bisher bei keinem anderen Buch vorgefunden habe: den Leser als den letzten Deppen dastehen zu lassen! Da werden Satzkonstrukte und Metaphern genutzt, die mir als Leser das Gefühl geben, ich sei zu dumm für diese Welt und an allem selber schuld. Vielen Dank auch!
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Experten. Welche Experten? Ich zumindest habe, obwohl ich mich schon seit langer Zeit mit dem Thema befasse und viel dazu gelesen oder Podcasts gehört habe, keinen der genannten Experten gekannt. Eine Suche über Google brachte bei fast allen nicht wirklich Repräsentatives zu Tage.
Gänzlich als Leser verloren, haben mich die Autoren als sie wirklich, wahrhaftig und ernsthaft die BILD-Zeitung positiv (fast als Wahrheitssager) im Kontext zum Konsumverhalten zitieren, u. a. mit „zu viel konsumiert als der Kunde an Geld hat“, „Verschuldung für Statuskonsum“. Moment, die BILD-Zeitung. Das Medium, das die „Volks“-Aktionsartikel „erfunden“ hat? Das Medium, das sowohl im Print als auch besonders im Onlineangebot a) Nutzer (online) mit Adblockern ausschließt und b) Werbung als Artikel getarnt dem Leser unterjubelt und c) nur so vor Werbung strotzt, dass eigentliche Artikel nicht mehr zu finden sind? Das musste ich erst einmal sacken lassen.
Die Autoren bleiben zu fast jedem Zeitpunkt dem Leser schuldig, konstruktive Wege und Tools an die Hand zu geben, sich selber schrittweise um sein Geld zu kümmern.
Gerade der Abschnitt um Community und Social Media zeigt ihre Inkonsequenz sehr gut. So monieren sie das falsche deutsche Verständnis des Begriffes „Social Media“, nur um es im Folgenden genau so falsch weiter zu benutzen. Warum dann nicht damit brechen, es richtig stellen und richtig verwenden? Auch kritisieren sie den Umgang in Community-Möglichkeiten, u. a. Ausnutzung der Anonymität, emotionale Diskussionen, die Kommunikation unmöglich machen. (Ach ja, außer vielleicht im Fidor-Forum) Statt offene Fragen zu stellen oder mit Bitten (und Danke-sagen) zu agieren um einen Austausch starten und Kommunikation ermöglichen zu können, herrsche eine „Mecker, Mecker, Mecker“-Mentalität. Also Meckern ohne z. B. eigene Ideen und Gegenvorschläge zu nennen. Ein richtiger Punkt, den ich selber so in einigen (!) und dennoch nicht (!) allen Plattformen festgestellt habe. Doch schon ist das Autorenteam dabei, sich genau so (!) zu verhalten – wie ein roter Faden durch das Buch, kritisiert (ohne Frage teils berechtigt) das Team. Wirkliche Alternativen oder Vorschläge blieben sie jedoch schuldig.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass das Buch 2013 veröffentlicht wurde und seit dem keine Aktualisierung oder Neuauflage stattfand. Ein Zeichen für reißenden Absatz? Ich bezweifle es! Doch eine Aktualisierung und nicht zuletzt ein (erneutes?) Lektorat inkl. Korrekturlesen hätte dem Buch mehr als gut getan. So sind erstaunlich viele Rechtschreib- und Wortwiederholungsfehler enthalten. Auch im Layouting beweist das Buch stellenweise kein gutes Händchen: so werden Überschriften in dünner weißer Schrift auf fette schwarze Balken gedonnert, was teils schlecht lesbar ist. Auch als Sprechblase gestaltete Expertenaussagen werden in schwarzer Schrift auf dunkelgrauem Hintergrund (netterweise auch noch mit dunkler werdenden Verlauf) gesetzt – lesbar geht anders.
Mein Fazit
Nach 313 Seiten bin ich ernüchtert, enttäuscht und auch phasenweise sauer! Dem durch Inhaltsverzeichnis und Buchunschlagstext gesetzten Anspruch und erzeugten Erwartungen wird das Buch in keiner Weise gerecht! Auch das Ziel in 15 Minuten pro Woche (!) alles zu managen, ist weit weg von jeglicher Realität. Insbesondere zu Beginn ist deutlich mehr Aufwand notwendig. Ich wurde als Leser desillusioniert und mit dem Gefühl der Dumme zu sein entlassen. Die knapp 15 EUR hätte ich mir sparen können und ich war kurzzeitig am Überlegen, erstmals zu versuchen ein Buch zurückzugeben und mir mein Geld zurück zu holen.
Wie mein alter Deutschlehrer gerne sagte: „Thema verfehlt – 6! Setzen!“
1 von 5 Sternen!